Es ist wieder einmal überstanden. Die Europatour des amerikanischen TV-Stars hat auch in Österreich Station gemacht – und wir haben es überlebt. Während die Fachwelt massiv gegen die Auftritte des selbsternannten Hundeflüsterers auftritt, hält seine Fangemeinde treu zu ihm. Diskussionen auf Augenhöhe zwischen BefürworterInnen und GegnerInnen gibt es wenige – zumindest nicht im Netz. Da wird sich befetzt, was das Zeug hält, wobei ein gewisser Unterschied in Wortwahl und Umgang mit Grammatik ins Auge springt.

 

Auch in im deutschsprachigen Raum gibt es eine breite Front an KritikerInnen, die sich der Aufklärung verschrieben hat, statt sich in kleinlichen Streitgesprächen zu verlieren. „Tausche Ticket gegen Training“ heißt die Aktion, die bereits vor Jahren von Sunny Benett ins Leben gerufen wurde. Jene Sunny Benett, die mit ihrer Arbeit über die Gefahren von televisioniertem Hundetraining den Bundestierschutzpreis 2014 erhalten hat.

Tausche Ticket gegen Training

„Soziale Dominanz ist ein Aspekt einer sozialen innerartlichen Beziehung!“ Dr. Ute Blaschke-Berthold

Diese Aktion ist die Einladung, ein kostenloses Training oder Beratungsgespräch in Anspruch zu nehmen. Zur Verfügung gestellt werden diese Gratis-Beratungen von den TrainerInnen und Trainern, die sich der Initiative Gewaltfreies Hundetraining angeschlossen haben und eine Form von Umgang mit Hunden vermitteln, die auf Fairness und wissenschaftlichen Erkenntnissen (zum Beispiel über Sozialverhalten und Lerntheorie) beruht.

 

Wenn Sie die Show eines bekannten TV-Entertainers in Sachen Hund besucht haben, können Sie das – benützte – Ticket quasi als Gutschein einlösen und sich so ein Bild machen, wie sich echtes, fundiertes Hundetraining von Show-Events und Scripted Reality unterscheidet.

 

Die Tauschaktion gilt übrigens nicht nur für Tickets des kleinen Mexikaners, auch BesucherInnen der Show eines bekannten deutschen Fernsehentertainers kommen, wenn sie das möchten, in den Genuß der Tauschaktion.

Habt ihr sonst keine Sorgen?

Nun kann man sich natürlich mit Recht fragen, ob wir wirklich keine anderen Sorgen haben, als uns dahingehend „wichtig zu machen“. Und natürlich ist auch die Überlegung berechtigt, ob man nicht durch all dieses Engagement eher noch denen einen Gefallen tut, die man im Grunde vom Fernsehschirm verbannen möchte. Man könnte doch einfach nur gelassen abwarten, bis eine solche Tour vorüber ist und dem allen keine große Beachtung schenken. Könnte man, ja. Wenn da nicht… Wenn da nicht der Umstand wäre, dass im Zuge solcher Auftritte eine gefährliche Verharmlosung stattfindet.

 

Unterhaltsam sind die Shows allemal und die handelnden Entertainer (derzeit sind es die Herren) machen ihre Sache gut.

Auf humorvolle Art mit vielen auflockernden Bonmots wird hier weder heimlich noch still und leise die Hemmschwelle, dem Tier gegenüber Gewalt anzuwenden, heruntergesetzt. Strafe nennt man Korrektur, Resignation und Aufgabe des Hundes werden als entspannter Zustand bezeichnet und seltsame Hilfsmittel werden teils offen teils versteckt „stadtfein“ gemacht.

 

Straftat statt Erziehung

Das wiederum spielt jenen Anbietern in die Tasche, die – fortbildungsresistenz und mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein – nach wie vor von Rudeltheorien, Dominanzgebahren und Alphatieren sprechen. Und darin besteht die echte Gefahr der TV-Formate und Unterhaltungsshows: Gewalt im Hundetraining ist wieder salonfähig geworden! Vielleicht ein wenig subtiler als früher. Selten wird einfach nach dem Hund getreten, dafür wird ihm vernehmlich der Finger in die Weichteile gepiekst oder er wird an der Nierenleine ausgeführt. Welpen dürfen an der Moxonleine den  Stadtspaziergang absolvieren und Wasserflaschen, Schepperdosen und andere Absonderlichkeiten erleben fröhliche Urständ‘. Die erwähnten Hilfsmittel ersteht man im Internet oder direkt bei vermeintlichen Fachleuten, obwohl sie zum Teil bei uns verboten sind. Und wer dann so ein Ding zuhause hat, der wendet es auch an. Dabei kann beides strafbar sein – der Erwerb sowohl wie auch die Anwendung! Und das mit gutem Grund!

 

Tierschutzgesetz contra „Gsunde Watschn“

Wir haben in Österreich ein Tierschutzgesetz, das ziemlich gut ist. Klar, es könnte noch besser sein, aber es ist schon ziemlich gut. Nur leider ist es nicht annähernd so populär wie gewisse Fernsehformate, in denen Zughalsbänder, Würgeleinen, Stromgeräte oder andere auf Schreck- und Schmerzreizen basierende Utensilien einem breiten Publikum nahe gebracht werden. Es hat einen Grund, wenn das Tierschutzgesetz die Verwendung von Würgeleinen und Zughalsbändern verbietet. Es hat einen Grund, warum der Einsatz von Teletaktgeräten strafbar ist. Von einer im übertragenen Sinn „gsundn Watschn“ kann gar keine Rede sein. Das Gesetz nennt es schlicht „Tierquälerei“, was den Hunden durch die Verwendung angetan wird.

Wir alle wünschen uns Hunde, die uns vertrauen, die uns zugetan sind. Vielmehr noch, wir wünschen uns, dass unsere Hunde uns lieben. Soll das wirklich mit Druck, Schmerz und Bedrohung erreichbar sein? Wohl kaum.

 

Fortbildung statt Fernsehprogramm

„Die Dominanztheorie ist wahrscheinlich die am häufigsten missverstandene, allgemein angewendete Verhaltenstheorie im Bereich des Hundeverhaltens“ James O’Heare

Dass gerade in unserer Zeit der Haushund Gegenstand zahlreicher Forschungen und Studien ist, dass Wissenschaftler sich neuerdings offen dazu bekennen, den Hunden ein reiches Gefühlsleben zuzusprechen und dass es so viele Fortbildungen „in Sachen Hund“ gibt wie nie zu vor, ist die andere Seite.

 

Dominanz als widerlegte Erklärung

 

Für TrainerInnen und HundehalterInnen, die aufgeschlossen durchs Leben gehen, ist es eine Selbstverständlichkeit, sich all dieses neue Wissen, diese spannenden Erkenntnisse zunutze zu machen und in ihren Umgang mit Hund einfliessen zu lassen. Man nennt das auch Entwicklung! Und – gottseidank – ist es eine schöne Entwicklung, im Allgemeinen und auch für den einzelnen Menschen und den einzelnen Hund.

 

Lassen Sie sich nicht beirren von Hochglanzbildern, dramatischer Musik und markigen Sprüchen der Fernsehunterhalter. Lassen Sie sich nicht beeindrucken von vermeintlich schnellen Erfolgen dubioser Trainingsmethoden. Lassen Sie sich nicht verunsichern, wenn sich Ihr Hund in manchen Situationen daneben benimmt. Hören Sie auf Ihren Verstand, Ihren Bauch und Ihr Herz. Seien Sie mißtrauisch, wenn man Ihnen mit alten – und längst überholten Weisheiten – kommt und Sie zur Gewaltanwendung animiert. Sie würden Ihr Auto ja auch keiner KFZ-Werkstatt anvertrauen, die technisch noch auf dem Stand der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist.

 

Suchen Sie lieber die Zusammenarbeit mit jemandem, der über (aktuelles) Wissen, Erfahrung und Empathie verfügt und Sie darin unterstützt, mit Ihrem Hund zusammenzuwachsen, ein gutes Team zu werden. Es gibt bestimmt auch in Ihrer Umgebung gute TrainerInnen und Hundeschulen. Auch fundierte Online-Angebote gibt es inzwischen, auf die Sie zugreifen können.

Sie haben sich entschieden, Ihr Leben mit einem Hund zu teilen, damit es schöner, reicher, besser wird – dabei unterstützen wir Sie. Ich schließe für heute mit dem  vielzitierten Ausspruch des bekannten Autors John Bradshaw

„Sinn und Zweck eines Hundes als Haustier ist doch, dass er unser Freund wird, nicht unser Sklave.“

 

Ich wünsche Ihnen Harmonie und Teamgeist in der Beziehung mit Ihrem Hund

Herzlichst
Eure und Ihre
Karin Immler

 

Hörbeiträge zum Thema:

FAIR statt fies – Aufklärung tut not

TV-Hundetraining – Gefährliche Unterhaltung auf Kosten unserer Hunde

Tausche Ticket gegen Training 2.0

 

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