Vergangene Woche bekam ich einen Anruf. Nach einer wortreichen Schilderung der jüngsten Vorfälle, kam die Frage: „Der Hund ist aber schon 8 Jahre alt. Kann der das überhaupt noch lernen?“ oder anders formuliert „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“

Kann er das überhaupt noch lernen?

Im ersten Moment habe ich geschmunzelt. Der Anrufer war der Stimme nach selbst auch schon „knapp“ aus dem Schulalter raus. Allerdings war schnell klar, dass der Hundehalter seine Frage ernst gemeint hatte und wirklich in Sorge war, sein Hund könnte zu alt sein, um etwas Neues zu lernen und sich weiterzuentwickeln.

„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!“

„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!“ Es gibt wohl selten ein Sprichwort, dass so verkehrt ist. Vielleicht tut Hans sich ein bisschen schwerer und braucht ein wenig länger als Hänschen. Vielleicht überlegt Hans auch erst eine Weile, während Hänschen schon kopfüber mitten im nächsten Abenteuer wäre.

Hunde unterscheiden sich auch in diesem Punkt nicht wesentlich von uns. Auch wir lernen in unserer Jungend leichter und schneller, lassen uns wesentlich einfacher in ungewisse Abenteuer locken, sind eher bereit, gewohnte Bahnen zu verlassen und alte Gewohnheiten abzulegen. Alles das wird mit zunehmendem Alter immer schwieriger, davon können die meisten von uns ein Lied singen. Aber mit der entsprechenden Motivation, überwinden wir unseren inneren Schweinehund und fangen im fortgeschrittenen Alter plötzlich mit dem Joggen an, stellen unsere Ernährung um oder lernen endlich Ungarisch. Manche Universitäten bieten spezielle Studienplätze für SeniorInnen an – in den unterschiedlichsten Studienrichtungen.

 

Lebenslang lernen

Immer wieder wechseln Hunde im erwachsenen Alter den Besitzer, weil man sie nicht mehr haben will, weil jemand stirbt oder weil sich die Lebensverhältnisse dramatisch verändern. Ich persönlich bin tief beeindruckt, wie bereitwillig die meisten Hunde sich auf neue Lebensumstände einlassen und lernen, was zu ihrem neuen Leben dazu gehört. Und das ist gar nicht mal so wenig. Eine neue Wohnung (mit Balkon statt Garten – oder umgekehrt), neue Nachbarn und auch auf dem Spaziergang ist alles neu. Ein ungewohnter Tagesablauf, Geräusche, die es bisher nicht gab, ungewohntes Futter im ungewohnten Napf, neue Worte und Gesten, auf die man reagieren soll. Die Liste dessen, was der Hund neu lernen muss, ist lang.

Auch wenn der Hund das Glück hat, bei seinem/seinen Menschen bleiben zu können, muss er im Laufe des Lebens ständig dazu lernen. Eine Übersiedlung bringt viele Veränderungen mit sich, an die Hund sich erst gewöhnen, neue Regeln, die er erst erlernen muss. Der Wechsel des Arbeitsplatzes oder womöglich sogar ein neuer Lebenspartner, eine neue Lebenspartnerin verändern nicht nur Alltag und Leben des Menschen, sondern auch des Hundes. Oder das Kind, mit dem der Hund aufgewachsen ist, zieht zum Studium in eine ferne Stadt.

 

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Leben ist Veränderung

Alle diese Veränderungen sind mit Anpassung verbunden und mit Lernen. Wir Menschen sind vielfach ziemlich ungeduldig, wenn es darum geht, unseren vierbeinigen Freunden Zeit zum Lernen zu geben. Und wir setzen ziemlich viel voraus. Zum Beispiel erachten wir es als selbstverständlich, dass ein Hund, der bisher ein eigenes Grundstück bewacht hat, im Wohnblock schön still bleibt, wenn es am Flur laut wird. Dabei ist es für einen Hund im Grunde ziemlich unlogisch das zu tun. Also muss es ihm erst einmal jemand zeigen, dann mit ihm üben und so nach und nach wird der Hund es dann auch tatsächlich bewerkstelligen, sich so zu verhalten, wie Sie es von ihm erwarten.

 

Im Gehirn hat Lernen viel mit Wachsen zu tun. Neue Nervenbahnen und -verbindungen wachsen, ganz dem entsprechend, was erlebt und gelernt wird. Und Wachsen braucht bekanntlich seine Zeit, das kennen Sie auch aus Ihrem Garten oder von den Balkonblumen. Und Sie sind ja auch nicht mit 1,70 und fertigem Berufsabschluss auf die Welt gekommen.

 

Auch bei einem erwachsenen und sogar bei einem alten Hund wachsen diese Nervenbahnen noch, vielleicht ein wenig langsamer und mit mehr Unterstützungsbedarf. Geduld braucht es natürlich, einem erwachsenen Hund etwas Neues beizubringen. Geduld und die richtige Motivation.

„Wenn unter schwierigen Bedingungen aus den leichtesten Übungen große Herausforderungen werden, müssen die Verstärker der Leistung angemessen sein!“ Martina Schoppe

Wenn Sie einen erwachsenen Hund zu sich nehmen, dann sollten Sie einfach ganz von vorne anfangen, nichts als gegeben annehmen und alles, was Ihnen wichtig ist, mit dem Hund sauber erarbeiten. Kennt er die Anforderung schon, wird es ohnehin sehr schnell gehen. Ist sie neu für ihn, dann arbeiten Sie sich Schritt für Schritt vorwärts. Setzen Sie nicht voraus, dass der Hund genau das tut, was Sie sich vorstellen, wenn Sie z.B. „platz“ sagen. Vielleicht hat er nie gelernt, sich auf Signal hinzulegen, vielleicht wurde ein ganz anderes Wort verwendet, vielleicht war das sein Signal, sich in sein Körbchen zu verrollen. Sollten Sie den Eindruck haben, dass der Hund auf ein bestimmtes Signalwort mit Angst oder Meideverhalten reagiert, dann hat er vermutlich das zugehörige Verhalten auf eher unschöne Weise erlernt. In dem Fall empfehle ich Ihnen, ein ganz neues Wort (und bei Bedarf auch eine neue Geste) zu verwenden und mit derselben Sorgfalt aufzubauen, wie Sie es mit einem Welpen machen würden.

Haben Sie schon einmal versucht, sich etwas abzugewöhnen? Das Rauchen zum Beispiel oder die Nascherei? Gut, denn dann wissen Sie aus eigener Erfahrung, wie mühsam das ist. Und wie wichtig dabei die richtige Motivation ist. Haben Sie sich selbst eine Belohnung versprochen, wenn …? Als ich mit dem Rauchen aufgehört habe, legte ich für jeden Tag, den ich rauchfrei verbracht hatte, einen kleinen Geldbetrag in ein Gurkenglas. Am Ende des ersten Monats habe ich mich tierisch gefreut, was da zusammengekommen ist. Und das Geld habe ich einfach verjuxt, mir nichts „Vernünftiges“ gekauft, sondern einfach etwas, das mir Freude gemacht hat. Der Unterschied zum Hund ist dabei, dass wir ein klares Fernziel haben: die Bikinifigur im Sommerurlaub zum Beispiel. Für den Hund muss der Benefit aus dem neuen Benehmen dagegen zeitnah erkennbar sein.

 

„Solange man neugierig ist, kann einem das Alter nichts anhaben“ Burt Lancaster

Bei einem erwachsenen Hund geht es ja auch um Gewohnheiten bzw. darum, diese zu verändern. Und Ihr Hund sieht zunächst keinerlei Veranlassung, das zu tun. Wenn ein Verhalten sich aus seiner Sicht bisher bewährt hat, dann wird er trachten, diese Handlungsweise weiterhin einzusetzen. Noch dazu ist es bereits Routine, der Hund denkt nicht mehr jedes Mal neu darüber nach, sondern tut es automatisch – gewohnheitsmäßig eben.

 

Es kann also durchaus eine ganze Weile dauern, bis eine ungewohnte Art zu handeln zur Routine und zum fixen Bestandteil im alltäglichen Repertoire wird. Ein guter Trainingsplan mit vielen Etappenzielen, motivationsgerechte Belohnung, wie gesagt Geduld und vor allem auch viel Freude am gemeinsamen Tun sind eine gute Grundlage. Und dazu noch eine gehörige Portion Verständnis für den Hund und seine Umstellungsschwierigkeiten. Dann kann auch Ihr erwachsender Hund und sogar Ihr Hundeopa, Ihre Hundeoma mit Begeisterung tolle neue Sachen lernen.

 

Bleiben Sie neugierig!

Herzlichst
Eure und Ihre
Karin Immler

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